Die Geschichte der CURTA Rechenmaschine

Wie aus der genialen Idee eines Erfinders ein Industrieprodukt wurde

TECHNIKGESCHICHTE 

Artikel im Spektrum der Wissenschaft, April 2004
Autor: Clifford Stoll
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Curt Herzstark

Curt Herzstark (1902-1988) war Sohn des berühmten österreichischen Herstellers mechanischer Rechenmaschinen Samuel Jacob Herzstark (1867-1937). Curt war erst 3 Jahre alt, als sein Vater in Wien mit der Produktion des Austria-Rechners begann. Curt ist mit Taschenrechnern aufgewachsen und hat Mechanik studiert. Nach dem Abitur begann er im väterlichen Betrieb zu arbeiten, ging aber später in die Astra Werke und Wanderer Rechnerfabriken in Chemnitz, Deutschland, um Erfahrungen in der Produktion verschiedener Maschinen zu sammeln. Nach etwa einem Jahr in Deutschland kehrte Herzstark in die Familienfabrik in Wien zurück und leitete die Fabrik ab 1930. 

Die ersten Versuche und das Patent

Mitte der 1930er Jahre entwickelte er Pläne für eine Miniatur-Rundrechenmaschine mit einer zentralen Staffelwalze und meldete 1938 ein Schlüsselpatent an  (Deutsches Reichspatent №747073). Im Jahr 1937 hatte Herzstark seine Universal-Rechenmaschine für die vier Grundrechenarten im Entwurf vollendet. Die guten Zeiten für Familie und Firma Herzstark dauerten bis Ende 1937. Im Oktober starb Samuel Herzstark, und nur wenige Monate später (im März 1938) marschierten Hitlers Truppen in Österreich ein.

Inhaftierung im KZ Buchenwald

Von 1938 bis 1943 wurde die Familienfabrik mit der Herstellung von Präzisionsmessgeräten für das deutsche Militär beauftragt und Herzstark wurde der weitere Bau und Vertrieb von Rechenmaschinen untersagt. Curt wurde zur Zielscheibe der Deutschen, da er der Sohn einer katholischen Mutter (Marie Amalie Herzstark) und eines jüdischen Vaters war. 1943 wurde er verhaftet und ins KZ Buchenwald gebracht. Die SS wusste von seiner Erfindung und wollte, dass er diese als Geschenk für den Endsieg an Adolf Hitler fertigstellte. So konnte Herzstark seinen Taschenrechner im geheimen Gustloff-Werk weiterentwickeln. Curt überlebte das Konzentrationslager und konnte die dort gefertigten Bleistiftzeichnungen für die Curta mitnehmen.

Firmengründung in Liechtenstein


Ein paar Tage nach der Befreiung Buchenwalds wanderte Herzstark mit seinen Zeichnungen nach Weimar und besuchte eine der wenigen heil gebliebenen Fabriken. Patentfachleute der Rheinmetallwerke in Sömmerda erkannten den Wert der Pläne und schätzten die Nachfrage weltweit auf 10 Millionen Stück. Als technischer Direktor der Rheinmetallwerke konnte Herzstark bereits drei Muster der Rechenmaschine bauen. Als Thüringen russische Zone wurde und die Russen deutsche Fachleute deportierten, floh Herzstark nach Wien. Weil aber in Österreich kein Geld für die Produktion aufzutreiben war, nahm er Kontakt auf mit Firmen in der Schweiz und den USA. 
Als Fürst Franz Josef II. auf die Erfindung aufmerksam wurde, war dies die Möglichkeit, nach dem Krieg eine feinmechanische Industrie im Fürstentum Liechtenstein aufzubauen. Herzstark konnte Pionierarbeit für das Land leisten und eine neue Fabrik aufbauen. Herzstark wurde technischer Direktor der Rechenmaschinenfabrik Contina AG. Curt Herzstark baute den Fertigungsbetrieb unter schwierigen Bedingungen auf. Es gab praktisch keine Fachkräfte, die wirtschaftlichen Bedingungen in Liechtenstein waren ungünstig. Er stellte Leute ein und im Jahr 1947 konnten die ersten 2100 Curta-Rechenmaschinen gebaut werden. Ursprünglich sollte Herzstarks Erfindung übrigens Liliput heissen, doch gefiel dieser Name der kaufmännischen Abteilung nicht. Nach langem Hin und Her warf dann eine zufällig anwesende Korrespondentin aus Holland ein: „Der Erfinder heisst Curt, und die Maschine ist seine Tochter. Wollen wir sie nicht einfach Curta nennen“?

1948 - Die Curta kommt in den Handel


Die Curta kommt 1948 in den Handel. Herzstark reiste von Messe zu Messe und liess geniale Werbeanzeigen drucken. Als wenig später eine amerikanische Firma 10‘000 Maschinen orderte, lehnte der Finanzvorstand von Contina jedoch ab. Der Auftrag sei zu gross. Durch diese Fehlentscheidung war die Curta schliesslich nur über den Versandhandel und in wenigen Spezialgeschäften erhältlich. Aber die Nachfrage stieg und Contina konnte bald einige hundert Maschinen pro Monat herstellen.

Curta II

Genau wie Edison, Tesla und viele andere Erfinder sollte auch Curt Herzstark um seine eigene Erfindung betrogen werden. Die Geldgeber der Contina Werke verweigerten ihm das versprochene Aktienpaket. Da sie aber bei der Firmengründung auf eine Umschreibung der Patente verzichtet haben, liefen diese alle noch auf den Namen von Curt Herzstark und sie hatten dadurch keinerlei Rechte mehr an der erfolgreichen Rechenmaschine. So hat die Curta ihrem Erfinder wenigstens in den 1950er und 1960er Jahren tatsächlich Geld eingebracht und er konnte nach diesem Erfolg ein zweites Modell mit 15 anstelle von 11 Stellen konstruieren. Seither hat sich aber - abgesehen von einigen Details - nichts geändert. Die Maschine war von Anfang an perfekt und erfreute sich zwei Jahrzehnte lang stetiger Nachfrage. „Eine leistungsfähige, solide Universalrechenmaschine im Taschenformat". Mit der Curta wurden Bilanzen erstellt, Landkarten vermessen und Satellitenbahnen errechnet.
1971 verliessen die letzten von insgesamt  141‘187 Curtas das Werk in Liechtenstein. Herzstark verliess das Contina-Werk bereits Anfang der 1950er Jahre, war einige Jahre als Berater für deutsche und italienische Büromaschinenhersteller tätig und lebte in einer bescheidenen Liechtensteiner Wohnung. Auch Genies konnten in jener Zeit kaum Millionen verdienen. Erst im Alter von 84 Jahren erhielt er von der Regierung seiner Wahlheimat die Anerkennung für seine Verdienste. Am 27. Oktober 1988 ist Curt Herzstark im Alter von 86 Jahren gestorben.

Wie wurde die Curta zum „Schatz unserer Zivilisation“ und „zum Wunder der Technik?“

Warum hegen und pflegen Sammler diese Maschinchen, obwohl jeder Billigrechner und jedes Handy schneller ist? Ganz einfach: weil die eindrucksvollen rechnerischen Fähigkeiten der Curta einhergehen mit feinmechanischer Eleganz und solider Zuverlässigkeit. Die Curta vereint die Präzision einer Schweizer Uhr und die solide Handwerksarbeit einer alten Nikon-F-Kamera, verpackt in einer unverwechselbaren runden Aufbewahrungsdose. Und das alles in Gestalt eines gedrungenen, kaum neun Zentimeter hohen Zylinders. Eine tragbare Rechenmaschine: In den 1950er Jahren war das eine Sensation! 

Literatur zur CURTA 


KEIN GESCHENK FÜR DEN FÜHRER

Schicksal eines begnadeten Erfinders 
Autor: Curt Herzstark


CURTA, CARENA & Co.
Autor: Hansjörg Nipp
Die Contina AG war der erste Industriebetrieb im liechtensteinischen Mauren. Die Firmengeschichte zeigt exemplarisch den Übergang Liechtensteins vom Agrarland zum Industriestaat. Contina Direktor Curt Herzstark zog sich nach erfolgreichem Aufbau aus der Firma zurück. Die Contina stellte in den folgenden Jahren zusätzliche Produkte wie Plattenspieler, Objektive und Filmkameras, unter dem Markennamen Carena, für den Amateurfilmbereich her. Die Contina wurde 1965 von der Hilti AG übernommen. 

 

Quellenangabe für Fotos & Text: "Schreibmaschinenmuseum Beck, "Spektrum der Wissenschaft", "Scientific American", "Curta, Carena & Co.", "Curta Schweiz" 

Alte CURTA Inserate